Secrets: Oktober


 

Band

2

 

Erscheinungsjahr

2016

 

Erhältlich als Taschenbuch bei

amazon

 

Erhältlich als eBook bei

amazon

 

Gut erholt kehrt Luke von seinen Großeltern aus San Francisco zurück und wirft sich gleich in neue Abenteuer. In seinem Fall eher direkt auf Arizona, die ihn mit offenen Armen empfängt. Dennoch zieht es sie, zu Lukes Leidwesen, immer mehr zu Thomas. Dieser fühlt sich ebenfalls zu Arizona hingezogen.
Luke will sein Schicksal nicht ertragen, er will Arizona jedoch auch nicht im Weg stehen; und außerdem meldet sich eine alte Freundin wieder. Das Drama spitzt sich bis zur Halloween-Party der Laufington-Brüder weiter zu.



Leseprobe


Samstag, 25. Oktober 2014

 

 Sie starrte ihn immer noch schweigend über den Tisch hinweg an. Dass er sie vorhin aus der Küche gesperrt hatte, war wohl keine gute Idee gewesen. Doch wie hätte er in Ruhe kochen können, wenn sie ständig in seiner Nähe war und ihn ablenkte? Im Grunde hatte das Backrohr die meiste Arbeit übernommen. Die Champignons, Karotten und Zwiebeln waren zu schneiden gewesen, danach die Kartoffeln in Scheiben zu reiben und die Folien vorzubereiten, sowie die Sahne-Milch-Mischung für die Gratins abzuschmecken. Keine große Sache, das konnte er im Schlaf. Wenn er dabei aber ständig blonde Locken um sich hatte, und große türkisfarbene Augen, die fragend über die Küchenzeile lugten, um zu sehen, was da mit dem Messer passierte, war das störend. Sie hatte auch von Anfang an verweigert ihm zu helfen. Lieber hatte sie sich auf die Arbeitsplatte gesetzt, ihn mit einem Fuß getreten und dabei verführerisch geblinzelt. Daraufhin war sie aus der Küche geflogen.

 

„Wo ist eigentlich Harry?“, fragte er, um das Schweigen endlich zu brechen, während beide die dampfenden Päckchen auf ihren Tellern öffneten. Der herrliche Geruch des Rotbarschs, gepaart mit dem frischen Gemüse und dem Sternanis, welchen er mit Salz und ein paar Tropfen Saft aus einer frischen Orange abgemischt hatte, ließen ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Arizona schnüffelte leise vor sich hin und sah dem gedämpften Gemisch skeptisch entgegen, während sie es vorsichtig mit der Gabel aus der Folie auf ihren Teller hob.

 

„Was genau ist das?“, fragte sie, als sie sich danach erst einmal der Beilage zuwandte.

 

„Wo ist Harry?“, wiederholte er seine Frage, knüllte die Alufolie mit zwei Fingern und seinem Messer zusammen und spießte dann eine Karottenscheibe mit der Spitze auf, um daran zu schnuppern. Hoffentlich schmeckte es auch so gut, wie es roch.

 

„Sind das Kartoffelgratin-Muffins?“ Sie zupfte am oberen Rand des weißen Förmchens, um es zu lösen.

 

Beinahe hätte sie ihm eine Antwort entlockt, doch er blieb hart. Er wollte ihre, und er würde seine Fragen einfach so lange wiederholen, bis sie ihm gab, was er verlangte: „Wo ist Harry?“

 

„Nerv‘ mich jetzt nicht,“ zischte sie und ließ die Gabel sinken, um ihn wie vorhin angespannt zu fixieren.

 

Mit einer raschen Bewegung hatte er die Karotte von seinem Messer über den Tellerrand abgestreift, um dieses eben dort abzulegen, seine Serviette zur Hand zu nehmen und über seinen Schoß zu breiten.

 

„Meinen Teil der Abmachung hab‘ ich erfüllt,“ sagte er ruhig, obwohl er es nicht wahr. Doch er hatte sich vorgenommen, sich dieses Mal nicht sofort von ihr provozieren zu lassen, oder es sich zumindest nicht gleich anmerken zu lassen. Sie hatte dieses Treffen verlangt, dass er kochte, und dass sie manches aufklären wollten. Das Essen war fertig, also konnte sie augenblicklich damit beginnen ihr Versprechen einzuhalten.

 

Seufzend senkte Arizona den Blick auf ihre Mahlzeit und schluckte, während sie begann den Fisch zu zerstückeln und über den Teller zu verteilen. Dabei schob sie die Zwiebelstückchen nach und nach zu einem kleinen Haufen zusammen. Mochte sie keine Zwiebeln?

 

„In meiner Handtasche,“ sagte sie schließlich so leise, dass er einen Moment benötigte, ehe er die Worte verstanden hatte. „Ich wollte ihn nicht auf den Tisch legen, das ist irgendwie unhygienisch…“

 

„Stimmt.“ Er versuchte ein Lächeln, das sie allerdings nicht sah, da sie Blickkontakt scheinbar wieder tunlichst vermied. „Das ist übrigens Rotbarsch. Und Kartoffelgratin in Muffinformen, japp. Lass es dir schmecken.“ Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie hoch, nur um dann wieder in höchster Konzentration auf ihren Teller zu starren.

 

„Es riecht lecker,“ meinte sie. War das ein Lächeln, das sie dem Fisch schenkte?

 

„Danke,“ sagte er wesentlich entspannter, bemüht nicht vor offensichtlicher Erleichterung laut auszuatmen. Das war ein guter Anfang. „Tut mir leid, wegen der Zwiebeln,“ fügte er dann noch hinzu.

 

 „Woher solltest du das denn wissen?“ Der zaghafte Ansatz eines Lächelns umspielte tatsächlich ihre Mundwinkel, als sie endlich in sein Gesicht blickte, bevor sie sich ihrer Aussage bewusst wurde und entschuldigend auf die Unterlippe biss. Ihr Blick wurde fester. „Lucas, ich mag keine Zwiebeln.“

 

„Ich hasse Erbsen,“ gestand er schmunzelnd, ohne einen Augenblick darüber nachzudenken.

 

„Tomaten mag ich nur roh.“

 

„Am liebsten würd ich überall Ketchup dazu essen.“

 

„Pizza mit Ketchup!“

 

„Gott, jaaah!“

 

„Sebby zieht mich immer damit auf.“

 

„Das ist das Allerbeste an Pizza überhaupt!“

 

„Abgesehen vom Käse. Ich liiiebe Käse!“

 

„Jeden Käse?“ Er schluckte. Die Wahrheit war angesagt. Arizona nickte mit großen Augen zur Bestätigung, während er einwarf: „Ich hab keine Laktoseintoleranz.“

 

„Je weicher, umso-“ Die Gabel fiel aus ihrer Hand. „Was?“

 

„Käse, Milch, Joghurt, alles kein Problem.“ Er kaute auf seinem rechten Lippenring herum. Sollte er ihr sagen, warum er die Allergie vorgelogen hat?

 

„Wegen des… nein, ernsthaft?“

 

Nun war er an der Reihe seinen Blick abzuwenden. Mit einem Zinken der Gabel stieß er in eine Rille an dem Muffinförmchen auf seinem Teller, um es etwas von dem klebrigen Käse zu lösen, den er über die Kartoffeln gestreut hatte. Parmesan, Mozzarella und einfachen Pizzakäse (weil sich der so schön zog, wenn man ein bisschen davon abschnitt) hatte er diesmal verwendet. Die Sorten waren vom Geschmack her weitestgehend neutral, sodass sie den Fisch nicht dominierten, dennoch aber durch den Parmesan würzig genug waren, um herzhaft zu schmecken.

 

„Mh,“ brummte er und zuckte mit den Schultern. „Ist halt alles fettig, und…“ Leise seufzend warf er ihr einen raschen Blick zu, ehe er die Papierhülle weiter lockerte.

 

„Du bist echt ein Idiot!“

 

„Ich weiß.“

 

„Lass uns essen, ja?“ Ihr linker Mundwinkel hob sich zu einem gutgemeinten Lächeln. „Ich bin ja gespannt, was du kulinarisch draufhast, wenn du schon verweigerst Nahrung in dich aufzunehmen.“

 

„Kochen mochte ich schon immer.“ Er trennte ein Stückchen Fisch vom Filet, schob eine Scheibe Champignon mit dem Messer auf die Gabel und sah sie dann ernst an. „In eins hab ich Gift gemischt, hab aber vergessen in welches.“

 

„Mahlzeit.“ Sie presste die Lippen grinsend aufeinander.

 

„Mahlzeit.“ Auf ihre Reaktion wartend, hob er zwar den ersten Bissen zum Mund, hielt dann aber inne, um sie zu beobachten. Thomas war seine Lieblingstestperson, wenn es um erfinderische Speisen ging. Bei ihm gab es nur zwei Meinungen: gut oder schlecht. Sein Bruder bewertete immer rein subjektiv, konnte allerdings genau sagen, was ihm nicht zusagte, welches Gewürz zu intensiv war, oder welche Mischung perfekt passte. Im Gegensatz zu ihm war seine Mutter umso objektiver. Mochte sie ein Gericht nicht so gerne, fand sie dennoch die richtigen Worte, ihm zu sagen, was möglicherweise schmackhaft für andere gewesen wäre, oder was ihr zwar zusagte, anderen jedoch vielleicht weniger. In letzter Zeit hatte er allerdings nicht mehr für seine Familie gekocht. Sollte er wieder damit beginnen?

 

„Wenn ich das vergiftete habe, wäre es mir egal,“ murmelte Arizona und schnitt sich eine halbe Gabel voll von dem Gratin ab.

 

„So scheiße?“, fragte er enttäuscht. Es waren bestimmt die Zwiebeln. Sie hatten ein zusätzliches Aroma abgesondert, das mit dem Orangensaft wohl eindeutig zu süß geworden war, obwohl es ihm selbst ziemlich gut schmeckte.

 

„Wenn ich sterbe, nachdem ich das gegessen habe, soll es mir recht sein,“ fuhr sie fort. „Das ist so gut – so gut –, dass ich nicht weiß, ob ich jemals aufhören kann.“

 

„Übertreib bitte nicht.“ Seine Ohren wurden heiß. So, wie sie es sagte, meinte sie es ernst. Doch etwas in ihm wollte ihr nicht ganz glauben. Ja, es war lecker, aber derart orgasmisch, wie sie tat, nun auch wieder nicht.

 

„Tu ich nicht.“ Sie sah ihn ernst an. „Wir wollten heute ehrlich sein, schon vergessen?“

 

„Stimmt…“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.

 

„Gut, dann sag ich dir jetzt nämlich auch, dass ich es fürchterlich dumm finde, dass du anderen vorlügst, eine Allergie gegen Milchprodukte zu haben.“

 

„Es tut mir leid.“ Er sah ihr direkt in die Augen. Das fiel ihm zwar unglaublich schwer, doch sie hatte seine Ehrlichkeit und Entschuldigung ebenso verdient, wie er ihre. „Dafür kann ich es nicht leiden, wenn du meine Fragen nicht beantwortest. Oder Gegenfragen stellst, die komplett vom Thema abweichen. Oder was völlig Sinnentleertes sagst.“

 

„Das tut mir leid.“ Wieder wanderte ihr Blick von seinem Gesicht auf ihren Teller, um dort zu verharren. Immerhin hatte sie ebenfalls Schwierigkeiten damit, sich zu öffnen, das machte sie zu Gleichgestellten. „Ich hasse es, dass du mir nie Komplimente machst.“ Schnell schob sie sich eine volle Gabel Gratin in den Mund.

 

„Du hast die schönsten Augen der Welt,“ sagte er mit einem breiten Grinsen und wackelte dabei mit den Augenbrauen, um die Ernsthaftigkeit seiner Worte zu überspielen. Zumindest war es die Wahrheit.

 

„Ich liebe es, dass du-“ Sie schluckte den Bissen rasch hinunter. „-mir nie Komplimente machst!“

 

[...]